Pinneberg – Wie fanatisch sind diese Hassprediger? Wie gefährlich? Und was dürfen sie sich noch alles herausnehmen?
In Pinneberg bedroht ein junger Islamist deutscher Herkunft offen den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde. Harry M. verunglimpft Wolfgang Seibert (63) als „dreckigen Juden“, durchkreuzte sein Foto im Internet mit roter Farbe.
Darunter droht M. (nennt sich Isa Al Khattab): „Pass auf, dass Allah dich nicht schon im Diesseits straft mit dem Tod. Das ist keine Drohung von mir, sondern Allah dem Allmächtigen.“
Mutmaßliches Motiv: Seibert hatte sich kritisch über die Hinterhof-Moschee der „Muslimischen Vereinigung Pinnebergs“ geäußert, ihre Schließung gefordert. Sie gilt als Treffpunkt radikaler Islamisten nach der Schließung der ehemaligen Al-Quds-Moschee (später Taiba-Moschee in St. Georg, BILD berichtete).
Jetzt steht Seibert unter Polizeischutz! Denn Experten nehmen die Drohung ernst.
Claudia Dantschke vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur über den Internet-Islamisten: „Er hofft wohl darauf, dass einer seiner Gesinnungsbrüder den angeblichen Willen Allahs umsetzen und diese Strafe vollziehen wird.“
Wolfgang Seibert lässt sich davon nicht einschüchtern. „Zuerst habe ich einen großen Schreck bekommen, dann schnell Strafanzeige gestellt.“ Er ist dem Hass-prediger schon mal begegnet, hält ihn für „bedrohlich und durchgeknallt“.
Wer ist dieser Harry M.? Nach BILD-Informationen wuchs der junge Mann in Pinneberg auf, ging dort zur Realschule und konvertierte vor rund einem Jahr zum Islam. Auf seiner Internet-Seite „Islamic Hacker Union“ gibt er an, in Neumünster zu wohnen, ist aber in Pinneberg gemeldet. Im Internet schreibt er: „Möge Allah die Ungläubigen vernichten.“ Er gilt als regelmäßiger Besucher der Moschee.
Wie radikale Islamisten Pinneberg in Atem halten
Pinneberg wird zum Mekka für Islamisten. Nun hat ein Besucher der örtlichen Moschee zum Judenmord aufgerufen. Die Bürgermeisterin plant einen „Runden Tisch“.
Kristin Alheit will, dass Ruhe in Pinneberg einkehrt. Keine Gewaltaufrufe mehr im Internet, keine volksverhetzenden Beleidigungen wie „dreckiger Jude“ und keine Zeitungsartikel über ihre Stadt als Zufluchtsstätte für Islamisten. Die Bürgermeisterin sitzt am Konferenztisch ihres Büros im Rathaus und versucht, ihre und die Lage ihrer Stadt zu erklären. Der wohl wichtigste Satz, den die freundliche SPD-Frau immer wieder sagt, ist: „Eigentlich bin ich mit der ganzen Angelegenheit überfordert.“
Foto: dapd/DAPD
Haus des Hasses: In dieser Pinneberger Moschee soll auch ein radikaler Rapper vekehrt haben
Es ist ja auch viel passiert in Pinneberg. Und die Ereignisse sagen einiges aus über die Entwicklung der islamistischen Szene, über den Umgang der Behörden damit und über den Zusammenhang zwischen den Botschaften radikaler Islamisten und den Gewaltandrohungen eines offenbar durchgedrehten, etwa 19-jährigen muslimischen Konvertiten, der mit seinen Hasstiraden eine Stadt und die Sicherheitsbehörden Schleswig-Holsteins seit Tagen in Atem hält.
Die Geschichte beginnt mit dem Erscheinen des einstigen Gangsta-Rappers „Deso Dogg“ in der vom Verfassungsschutz als „Problem-Moschee“ bezeichneten Pinneberger Al-Sunnah-Moschee.
Der Berliner Musiker sang in früheren Jahren über das harte Leben auf der Straße, zeigte sich auf Plattencovers mit einer Pistole am Kopf und fiel durch Straftaten auf. Dann entdeckte er den Islam, und radikale Vorbeter spannten ihn für ihre Zwecke ein. „Deso Dogg“ sollte Jugendliche für den Islam begeistern, oder vielmehr für das, was einige Fundamentalisten darunter verstehen.
„Den Feind im Auge, im Namen Allahs“
Vor einigen Wochen sang „Deso Dogg“ bei einem „Islamseminar“ in der Eifelstadt Mayen die später viel zitierte Zeile: „So Gott will, wir kämpfen, fallen als Märtyrer, den Feind im Auge, im Namen Allahs.“ Das Reim-Dich-Oder-Ich-Fress-Dich-Lied über den „Heiligen Krieg“ wollte er auch in Pinneberg singen – so jedenfalls eine Ankündigung im Internet.
Den „Brüdern“ der kleinen Hinterhof-Moschee „Al-Sunnah“ war er willkommen. Er sang zwar nicht, sondern sprach nur über seine Zeit als Gangsta-Rapper. Aber dennoch: Der Dschihad war in Pinneberg angekommen. Und das sollte erst der Anfang sein.
Auf der Internet-Seite „Islamic Hacker Union“ war plötzlich von einem „dreckigen Jude“ die Rede. Ein Foto, auf dem der Mann eindeutig zu erkennen ist, war rot durchgestrichen, und im Text hieß es: „Pass auf, dass Allah dich nicht schon im Diesseits straft mit dem Tod“.
Außerdem: „Die Strafe Allahs kann dich überall treffen.“ Zwischen diesen Zeilen: ein Video von einem tödlichen Hauseinsturz bei einer Hochzeitsfeier.
Der Mann auf dem Foto heißt Wolfgang Seibert. Er ist der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Pinneberg und angesichts der Einschätzung des Verfassungsschutzes und der Verwicklungen der Al-Sunnah-Moschee mit der islamistischen Szene hatte er gefordert, die Al-Sunnah-Moschee zu schließen.
Vom Kiffer zum Islamisten
Für einen jungen Mann, der sich Isa Al Khattab nennt, war das zuviel: Er hat den Gewaltaufruf unterschrieben. Außerhalb seiner zurecht gesponnenen islamistischen Welt heißt er Harry M.. Mit knapp 17 Jahren, so erzählt er in einem mittlerweile gelöschten Internetvideo, konvertierte er zum Islam. Davor trank er Alkohol, rauchte Joints und nahm „andere Drogen“.
Er war dabei, so geht es aus seiner Erzählung hervor, sein Leben langsam aber sicher in den Sand zu setzen. Dann fragte sich Harry: „Was ist mein Sinn des Lebens? Was bringt mir das, wenn ich arbeiten gehen würde, Schule machen würde? Was würde mir das bringen?“ Die Antwort des Teenagers: Nichts. Statt dessen entdeckte er die seiner Ansicht nach „einzig wahre Religion“. Dabei geriet er nicht an einen der vielen liberalen Imame im Land, sondern an ultra-radikale Islamisten.
Ein typischer Radikalisierungsprozess, sagt die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur. „Ein junger Mensch kommt mit dem Leben nicht zurecht, sucht nach einem Sinn und dann kommt jemand, der ihm sagt, es ist doch alles ganz einfach: Du musst nur an Allah glauben, alle Regeln befolgen und alles andere ist des Teufels. Durch das Gefühl einer Gruppe anzugehören, kann ein labiler Menschen das Gefühl bekommen, etwas Besonderes zu sein“, sagt Dantschke.
Harrys Vortrag in dem Video klingt etwas wirr, aber er wirkt glücklich dabei. Er lächelt, und man hätte sich nicht gewundert, wenn er den Satz: „Islam bedeutet Frieden“ gesagt hätte. Hat er aber nicht. Er hat es wohl auch nie gedacht, denn die Vorbeter, von denen Harry seine abstrusen Vorstellungen hat, predigen nicht Frieden, sondern Kampf, nicht Toleranz, sondern Abgrenzung.
Einfluss radikaler Salafisten
Wer die Spuren von Isa Al Khattab alias Harry M. im Internet verfolgt, landet bei szenebekannten Protagonisten aus der radikalsten Ecke der deutschen Salafisten-Szene: Junge und mittelalte Männer, nicht selten Konvertiten, die in der mittlerweile geschlossenen Hamburger Taiba-Moschee ein- und ausgingen, in der schon die Attentäter des 11. September und auch eine Gruppe von Islamisten verkehrte, die vor rund eineinhalb Jahren in die Kampfgebiete ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet zogen, um den Märtyrertod zu sterben.
Auch in die Pinneberger Al-Sunnah-Moschee – laut Verfassungsschutz einer der wichtigsten Treffpunkte der früheren Besucher der Taiba-Moschee – war Harry zu Gast. „Aber höchstens zwei oder drei Mal“, sagt Salim Ibn Omar, der als einer der Vorsitzenden für die Moschee spricht. Beim Besuch des Reporters sind er und die anderen Besucher in dem vielleicht dreißig Quadratmeter großen Raum mehr oder weniger freundlich. Sie sind zu einem Gespräch bereit.
Diesen Harry würden sie gar nicht richtig kennen, sagen sie. Eine „Nachfolgeorganisation“ der Taiba-Moschee sei die Moschee auch nicht, und der Bruder „Abu Malik“ – so nennt sich „Deso Dogg“ mittlerweile – habe in ihrer Moschee weder zu Gewalt oder Hass aufgerufen noch habe er ein Lied gesungen.
„Mit Dingen, die dem Ansehen der Moschee schaden, wollen wir nichts zu tun haben“, sagt Salim Ibn Omar. Er verschweigt dabei, dass Anhänger aus dem Kreis der Al-Sunnah-Moschee schon bei dem Seminar in Mayen dem Lied „Deso Doggs“ gelauscht haben.
Verherrlichung des Märtyrertodes
Am Eingang der Moschee findet sich ein Aufkleber der Gruppe „Die wahre Religion“. Ihre Vorbeter verteufeln die Integration, sie befürworten die Einführung der Scharia und legitimieren immer wieder Gewalt im Namen des Islam.
Kleine Textprobe aus einer der zahllosen Internet-Ansprachen über die Herrlichkeit des Märtyrertodes: „Wenn der erste Blutstropfen den Körper verlassen hat, hat Allah ihm alle seine Sünden vergeben. Allahu Akbar! Warum? Weil er hat alles gegeben für Allah.“ Von solchen Äußerungen bis zu Gedanken an den Weg ins Terrorcamp ist es nicht weit.
Salim Ibn Omar, der Vorsitzende der Al-Sunnah-Moschee, sagt zu der zitieren Äußerung: „Das ist auch unsere Ansicht. Das können Sie auch ruhig schreiben. Und die Leute von ’Die wahre Religion’: Das sind unsere Brüder.“
Auch Harry M. hat seine Kenntnisse über den Islam offenbar von den Vorbetern der „wahren Religion“. Zumindest legen das seine im Internet nachvollziehbaren Bekanntschaften und Äußerungen nahe. „Man erkennt anhand der Verbindungen in Foren und sozialen Netzwerken ganz eindeutig, dass es eine Szene ist, in der man sich kennt und gemeinsame Ansichten hat“, sagt die Islamismus-Expertin Dantschke.
Erschreckend sei der hohe Anteil Jugendlicher, die offenbar weniger aus religiösen, sondern eher aus politischen oder sozialen Gründen in die Szene geraten seien….